Betriebs­öko­nom: Bil­dung ist wich­tig – denn Still­stand ist Rück­schritt

Vom beschaulichen KMU in der Ostschweiz in die Chefetage eines weltweit tätigen Grosskonzerns in Berlin: Orlando Nittolo ist weit gekommen. Er erzählt, wie er von der Weiterbildung an der Akademie St.Gallen profitiert hat – und warum es ihm hilft, dass er heute wie ein waschechter Berliner spricht.

2012 wurde die Wanner Int. Transporte AG von der dritten an die vierte Generation übergeben. Ihr Bruder war schon länger im Betrieb, Sie und Ihre Schwester kamen damals neu dazu. Was waren bei dieser Nachfolge Ihre grössten Herausforderungen?

Reto Wanner, Dipl. Betriebsökonom NDS HF

Die Transportbranche stand damals schon unter sehr grossem Preisdruck. Waren von A nach B transportieren kann jeder. Uns war klar, dass wir die Wertschöpfungskette erweitern müssen, um am Markt zu bestehen. Wir fragten uns: «Was können wir, was andere nicht können?» Sukzessive bauten wir die Firma vom klassischen Transportunternehmen zum modernen Speditions- und Logistik-Dienstleister um. Als ausgebildete Speditionsfachleute brachten meine Schwester und ich das Wissen in diesen Bereichen in den Betrieb. Mit einem extern geführten Strategieworkshop wurden die strategischen Weichen für die nächsten Jahre gestellt. Ziel war neben der Übergabe der Verantwortung von der dritten in die vierte Generation auch, dass die enorme Erfahrung unbedingt mitgenommen und harmonisch in eine dynamische Speditions- und Logistikwelt inkludiert wird. Die Stärken jeder Generation sollte herausgepickt werden, um zukünftige Chancen zu erkennen und mögliche Wettbewerbsvorteile generieren zu können. Dazu gehörte auch, dass im Gremium entschieden wurde, sich von alten Abläufen oder Geschäftsfeldern zu trennen und die Tür für neues zu öffnen. Heute bieten wir von Beratung über Planung, Verzollung, Zwischenlagerung, Kommissionierung und Transporte in diversen Bereichen alles aus einer Hand an und haben stets das Ziel vor Augen, dem Kunden einen Mehrwert zu bieten!

Dass drei Geschwister miteinander ein Unternehmen führen, ist wohl eher selten. Was sind die Vor- und Nachteile dieser Führungsart?
Der grösste Vorteil ist sicherlich, dass wir einen inhabergeführten KMU-Betrieb leiten. Alle haben das grösste Interesse daran, dass alles gut läuft, und alle setzen sich entsprechend ein. Andererseits ist es sicherlich einfacher, Privates und Geschäftliches sauber zu trennen, wenn man sich privat nicht sieht oder nichts miteinander zu tun hat.

Der Lehrgang zum dipl. Betriebsökonom NDS HF bietet Vertiefung in sehr verschiedenen Bereichen – unter anderem auch im Finanzwesen. Ihre Schwester ist Finanzchefin. Bringen Sie sich in Finanzsachen heute aufgrund Ihrer Ausbildung vermehrt ein?
Jeder von uns dreien hat sein jeweiliges Aufgabengebiet mit dem eigenen Kompetenzrahmen und der entsprechenden Verantwortung. Wir treffen uns regelmässig zu Sitzungen, bei denen jeder seine Themen ausführt – und entscheiden dann gemeinsam. Wichtig empfinde ich, dass jeder Bereich auch immer kritisch hinterfragt wird und man sich nicht zu Gefälligkeiten verleiten lässt. Dies wäre fatal. Durch das Studium habe ich ein wenig in den Finanzbereich hineingesehen und konnte mein Verständnis für diesen Bereich stärken. Auch habe ich nützliche Kontrollwerkzeuge kennengelernt oder Instrumente für Investitionsrechnungen.

Was konnten Sie direkt aus der Akademie mitnehmen und in der Firma umsetzen?
Mir hat der Lehrgang wieder einmal bestätigt, dass Kommunikation das A und das O ist – in fast allen Bereichen. Was ich an der Akademie St.Gallen gelernt habe, ist in vielerlei Hinsicht «State of the Art». Und ich war gezwungen, mich dabei ständig mit der Frage auseinandersetzen: Passt dies oder jenes auch für unsere Situation? Ein Beispiel: Bei uns arbeiten vier Leute im Büro, 26 sind ständig unterwegs. Wie sollen wir da Neuigkeiten gleichzeitig kommunizieren? Lösungen, die im Grossraumbüro funktionieren, tun es bei uns nicht. Wir müssen eigene finden. Denn die proaktive Kommunikation ist tatsächlich matchentscheidend.

Warum fiel Ihre Entscheidung für Ihr Nachdiplomstudium auf die Akademie St.Gallen?
Ein wichtiges Entscheidungskriterium war für mich die Anzahl der Fehlstunden im Betrieb. Die Akademie St.Gallen hat hier die für mich beste Lösung geboten. Meine Fehlzeit im Büro beschränkte sich auf einen Freitagnachmittag alle zwei Wochen. Das ist exakt das, was ich mir unter berufsbegleitend vorstelle! Ausserdem war ich in der Entscheidungsphase wirklich begeistert vom Informationsfluss der Akademie: Ich bekam immer sehr schnell Antworten auf alle Fragen.

Sie unterrichten selbst für SPEDLOGSWISS, den Verband der international tätigen Speditions- und Logistikunternehmen. Haben Sie sich in Sachen Didaktik von den Dozenten an der Akademie dafür etwas abschauen können?
Ich unterrichte nur wenig. Aber ja, ich habe durchaus profitiert. Ich oute mich jetzt als Fan des Unterrichtsstils von Heinz Stieger. Er hat «strategisches Management» mit so viel Leidenschaft und Praxisnähe gelehrt, dass bei mir einfach vieles alleine durch Zuhören schon sass. Der Unterricht war lebhaft und spannend und hat mir gezeigt: praxisnahe Beispiele sind enorm wichtig, um die Zuhörer zu packen.

Seit August 2020 ist das Nachdiplomstudium «Dipl. Betriebsökonom NDS HF» Teil des «Diploma of Advanced Studies General Management» der Fachhochschule Kalaidos Zürich. Mit Ihrem Diplom hätten Sie die Möglichkeit, mit nur zwei Tagen Vertiefung im wissenschaftlichen Arbeiten und zwei Seminararbeiten einen DAS-Abschluss zu erlangen. Lockt Sie das?Das hört sich spannend an. Ich kann mir gut vorstellen, dies zu tun, sobald ich dafür Zeit habe. Zum Glück haben wir ein schönes organisches Wachstum und können in nächster Zeit die Stellenprozente ein wenig erhöhen. Das sollte uns etwas Luft geben. Bildung ist wichtig, denn – da sind wir Geschwister uns einig – Stillstand ist Rückschritt.

Welche Aufträge waren bisher die spannendsten?
Grundsätzlich ist praktisch jeder Arbeitstag speziell und spannend, da unsere Geschäftsfelder sehr vielfältig und die Marktansprüche stetig hoch sind. «Spannend» ist schlussendlich aber nicht entscheidend, sondern die Kundenzufriedenheit steht im Fokus. Wenn die stimmt, ist das motivierend und die Arbeit macht doppelt Spass. Schlussendlich steht man Tag für Tag für die Zielerreichung unter Spannung. 😀